Ein Geländer für den Kanzler

Brasilia Januar 2006

Brasilia war gut gemeint und ist an vielen Stellen auch -bis heute- mehr als gut gemacht.

Einige Details sind allerdings problematisch.

Es ist DAS architektonische Experiment des 20. Jahrhunderts. In gerade mal gut dreieinhalb Jahren, von 1956 bis 1960, wurde die brasilianische Hauptstadt, fast 1000 km von der Küste und allen anderen großen Städten entfernt, ins absolute Nichts gebaut. Oscar Niemeyer entwarf Gebäude für Regierung, Parlament und Verwaltung aus einem Guss. Ein Gebäude schöner als das nächste.

Leider glaubte er aber zu sehr an die Zukunft. In seinem Entwurf kamen Fußgänger praktisch kaum vor. Niemeyer ging davon aus, dass sich innerhalb kürzester Zeit alle Menschen nur noch in Autos fortbewegen.

Und so stolpern heute die 3 Millionen Einwohner in der Innenstadt auf Trampelpfaden entlang und rennen fluchtartig über sechsspurige Strassen, weil es schlicht keine Fußgängerampeln und kaum Gehwege gibt.

Und: Niemeyer überschätzte auch die Schwindelfreiheit von Helmut Kohl. Eine frei schwebende Wendeltreppe im Präsidentenpalast führt nach oben in das Amtszimmer.

Für einen Staatsbesuch des deutschen Kanzlers im November 1996 wurde allerdings entschieden, dass der diese Treppe unmöglich ohne weitere Sicherheit erklimmen könne.

Und so bekam das Schmuckstück für diesen Tag ein provisorisches Geländer. Kohl kam sicher hoch und auch wieder runter und die Konstruktion wurde danach zugunsten der Architektur flugs wieder abgebaut.

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